Der Wienerwald, das bedeutete für mich bisher breite, gut ausgebaute und kinderwagentaugliche Wege durch eine sanfte Hügellandschaft. Deswegen nahm ich die angekündigten 1300hm verteilt auf 32km beim Lindkogel-Trail im Vorfeld zwar zur Kenntnis, aber nicht sonderlich ernst. So früh im Laufjahr ein Fehler, wie sich herausstellen sollte.
Sonntag, 24. März 2019, 3 Uhr morgens. Nach der ziemlich spontanen Entscheidung, zur Saisoneröffnung und als Überprüfung meines aktuellen Trainingszustandes am Lindkogel Trail teilzunehmen, steige ich ins Auto und mache mich auf den 280 Kilometer langen Weg nach Bad Vöslau. Um dem inneren Schweinehund erst gar keine Chance zu geben, habe ich am Vorabend schon alles vorbereitet, dann aber nur 3 Stunden geschlafen.
Frühstück gibt es unterwegs. Um 06:30 bin ich in Bad Vöslau, suche den Kurpark und finde einen guten Parkplatz in der Nähe des Starts. Da das Rennbüro erst um 07:00 öffnet, lege ich mich etwas auf die Rückbank und schlafe sofort ein.
Das Rennbüro ist im Obergeschoß des Kursalons direkt beim Kurpark eingerichtet. Die Veranstalter des Lindkogel Trails stemmen sich erfolgreich gegen den aktuellen Länger-steiler-härter-Trend und bieten die drei Distanzen 10k, 20k und 32k an, mit denen sie sich klar als Saisoneröffnungslauf positionieren.
Die Nachnennung für die längste Distanz kostet 45€, dafür gibt es ein Startsackerl mit dem üblichen Krimskrams (juhu, ein Sebamed Duschgel-Probeflascherl!), eine Startnummer und einen Zeitnehmungschip samt Klettband, mit dem dieser am Knöchel zu befestigen ist. Der Chip wird im Ziel wieder abgenommen und wiederverwendet.

Der Lindkogel Trail findet heuer erst das 3. Mal statt. Nach rund 250 Teilnehmern im Jahr 2017 und über 460 Läuferinnen und Läufern im Jahr 2018 wurde der Bewerb um den 20k Advanced Trail erweitert und konnte 2019 bereits über 750 Starter anziehen, von denen es für viele der erste Wettbewerb der Saison ist.
Bis zum Start habe ich etwas Zeit, hole mir bei einem nahen Bäcker eine Topfengolatsche und spaziere durch den Ort. Bad Vöslau ist bereits seit der Jungsteinzeit besiedelt, die Thermalquellen haben schon die Römer genutzt. Viele Häuser erinnern an die vergangene Blütezeit als gut erreichbarer „Curort“ unweit von Wien.
Das Wetter könnte nicht besser sein, ein für die Jahreszeit sehr warmer Tag kündigt sich an. Ich freue mich jedes Jahr auf das erste Mal in kurz-kurz, da darf es mich auch mal etwas frösteln. Aber da besteht heute keine Gefahr, schon um 9 Uhr ist es angenehm warm.
Nach einem kurzen Briefing startet das 32k Rennen pünktlich um 9 Uhr, rund 320 Läuferinnen und Läufer sind bei der längsten der drei Distanzen dabei.

Direkt ab dem Start geht es sofort auf schmalen Waldwegen bergauf, die ersten 6 km führen auf den ersten der 3 Lindkogel, die entlang der Strecke liegen, den 713 Meter hohen Sooßer Lindkogel. 713 Meter hört sich jetzt für einen Salzburger nicht wirklich viel an, der Start liegt aber etwa 400 Meter tiefer, der Anstieg macht sich also schon bemerkbar.
Von Forstwegen bis Single Trails ist bei der Streckenführung alles dabei, überholen ist teilweise schwierig. Ich marschiere brav eingereiht irgendwo im hinteren Drittel der Kolonne.

Wer rauf muss darf auch wieder runter, über den Vorderen Lindkogel führt ein langer Downhill mit einigen Zwischenanstiegen hinunter ins Helenental zur 2. Versorgungsstelle direkt an der Schwechat bei der Cholerakapelle.
Von dort geht es auf den nächsten Kilometern rund 550hm nach oben auf den Hohen Lindkogel, auch Eisernes Tor genannt, mit einer Höhe von 834 Metern und der Anstieg dort hinauf hat es in sich. Keine Serpentinen, keine in den Stein gehauenen Trittstufen wie in alpinem Gelände. Einfach nur bergauf, geradeaus und möglichst direkt nach oben. Nach einiger Zeit beschließe ich meine Stöcke auszupacken, damit ich sie nicht umsonst die ganze Runde mittrage. Es geht mittlerweile gegen Mittag, die Temperatur steigt auf fast 20 Grad und so kurz nach dem Winter fühlt sich das noch einmal deutlich wärmer an.

Endlich oben folgen 4 Kilometer bestens laufbarer Downhill. Für die richtig guten Läufer müssen diese Trails ein Traum sein. Ich kann mich leider nicht einfach der Schwerkraft hingeben, meine Oberschenkel und die Knie sind da strikt dagegen.
Nach dem langen Anstieg im Sonnenschein wird langsam das Wasser knapp. Auf dem Gipfel des Lindkogels gibt es zwar einen Aussichtsturm und ein Schutzhaus, aber leider keine offizielle Labestelle. Die ist erst am Ende des Downhills bei einer Straßenquerung platziert und ich freue mich schon auf etwas Verpflegung.
Damit komme ich zum einzigen Punkt, über den ich an diesem schönen Tag etwas meckern muss. Mit den angekündigten Labestellen im Abstand von höchstens 8 Kilometern hatte ich wie wahrscheinlich die meisten Teilnehmer auf den Teilstücken nur einen kleinen Wasservorrat mit. Nach dem anstrengendsten Teil der Strecke bei den warmen Temperaturen träumte ich schon davon, mir das kühle Nass über den Kopf zu schütten oder mir wenigstens den Staub aus dem Mund zu spülen. Immerhin befinden wir uns in der Heimatgemeinde von Vöslauer Mineralwasser, da darf man schon in Fernsehwerbungsbildern denken.
Leider gab es an der Labe aber kein kühles Nass. Genau genommen gab es nicht einmal ein warmes Nass, es gab nämlich gar keins mehr. Alles, was der schon leicht verzweifelte Helfer an der Labe noch anbieten konnte, waren einige 0,5l-Flaschen Wasser, aus denen er in Apotheker-Portionen von jeweils einigen Schlucken in die Behälter der Läufer ausschenkte.
Jetzt kann ich mir vorstellen, dass die Planung der Versorgung bei solchen Veranstaltungen eine große Herausforderung ist und ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn mal etwas ausgeht. Keine Bananen mehr? Keine Riegel? Iso aus? Geschenkt! Gerade verderbliche Sachen wie Obst oder Brot sollen am Ende ja auch nicht übrig bleiben und als Läufer vom hinteren Ende des Feldes bin ich es sowieso gewöhnt, dass die guten Sachen schon alle verfuttert sind, bis ich an der Labe erscheine.
Aber kein Wasser mehr? An einer Labestelle direkt an einer gut ausgebauten öffentlichen Straße? In Bad Vöslau? Geh bitte!
Aber OK, so schnell verdurstet man dann auch wieder nicht. Die Delle in der Motivation ist wahrscheinlich größer als das tatsächliche Problem mit der Hydration. Mit höchstens 150ml Wasser in der Softflask mache ich mich auf den Weg zur nächsten Versorgungsstelle.
Die ist nur 5 eher flache Kilometer entfernt und da gibt es dann sogar noch Salzbrezel und ein paar Orangenspalten. Frisch gestärkt geht es in die letzte Etappe, zuerst ein Stück entlang eines asphaltiertes Radwegs durch die Weinberge rund um Bad Vöslau, bevor sich die Strecke auf eine kleine Anhöhe hebt, auf deren anderer Seite sich der Kurpark und damit das Ziel befindet. Das letzte Stück zum Zieleinlauf geht es netterweise bergab, was sicher vielen Finisher-Fotos mehr Dynamik verleiht als die Beine der Teilnehmer tatsächlich noch zu leisten imstande waren.

Am Ende verfehle ich mit einer Zielzeit von 04:19:56 knapp mein Ziel, einmal nicht im letzten Drittel der Zieleinlaufliste zu landen. Im ersten Lauf als AK M50 klappt das aber zumindest in der Altersklassen-Wertung als 40. von 62 Finishern.

Sehr gefallen hat mir die tolle Stimmung im Ziel. Der Start-/Zielbereich mit den großen Rasenflächen drumherum und den vielen aufgestellten Biertischen & -bänken war natürlich vom guten Wetter begünstigt. Der Rasen war stundenlang voller wartender Angehöriger und spielender Kinder und die eintreffenden Läuferinnen und Läufer haben die willkommene Ruhemöglichkeit natürlich auch gerne genutzt.
Was habe ich gelernt?
Seit dem 24 Stunden Burgenland Extrem habe ich kaum Höhenmeter gemacht und heute die Quittung dafür erhalten. Bis zum Innsbruck Alpine Trailrun Festival Anfang Mai ist noch etwas Zeit und sobald die Salzburger Hausberge ausapern und die Wege nach dem Ende der Forstarbeiten wieder freigegeben sind, habe ich noch etwas Zeit, daran zu arbeiten. Die Schuhe – ich hab mich wieder mal für ein Paar meiner Salomon Sense Ride statt für Wettkampfschuhe entschieden – haben gut gehalten und für Blasen sind die 32k zu kurz. An den Folgetagen habe ich die schnellen Downhills aber zu spüren bekommen und Stiegen nur sehr langsam hinunterstaksen können.
Den Lauf kann ich mir durchaus auch für die Saisoneröffnung 2020 vorstellen, dann aber besser mit 1 oder 2 Übernachtungen rundherum, damit sich die Fahrt auch auszahlt.
Lindkogel Trail – Super Trail
32km, Zielzeit 4:19:56h Strava: https://www.strava.com/activities/2237128871/overview